Umsatzsteuer-Sonderprüfung: Strafen, Zinsen & Bußgelder im Überblick
Was kann das Finanzamt nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung konkret festsetzen – und wo wird es strafrechtlich ernst?
Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung ist zunächst nur ein Prüfungsverfahren. Wirtschaftlich schmerzhaft wird es erst, wenn das Finanzamt nachträglich Umsatzsteuer festsetzt und steuerliche Nebenleistungen, Bußgelder oder sogar strafrechtliche Konsequenzen hinzukommen.
In diesem Beitrag geht es ausschließlich um die Frage: Welche Strafen, Zinsen und Bußgelder können nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung drohen – und worauf stützen sie sich in der Abgabenordnung (AO)?
1. Einordnung: Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung selbst ist keine Strafe
Eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung ist eine Form der Außenprüfung und dient ausschließlich dazu, die richtige Steuer festzustellen. Die Prüfung selbst ist noch keine Strafe.
Strafen, Zinsen und Bußgelder entstehen erst dadurch, dass
- Umsatzsteuer zu niedrig festgesetzt oder zu spät gezahlt wurde,
- unrichtige, unvollständige oder unterlassene Angaben gemacht wurden oder
- Mitwirkungspflichten verletzt werden (z. B. fehlende Unterlagen).
Die AO unterscheidet dabei im Wesentlichen zwischen:
- steuerlichen Nebenleistungen (§ 3 Abs. 4 AO),
- Bußgeldern bei Ordnungswidrigkeiten (§§ 377 ff. AO) und
- Strafen bei Steuerstraftaten (insbesondere § 370 AO – Steuerhinterziehung).
In der Praxis können nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung alle drei Ebenen eine Rolle spielen. Für den Überblick zu Ablauf und Gründen einer USt-Sonderprüfung kannst du unseren Hauptartikel zur Umsatzsteuer-Sonderprüfung nutzen.
2. Steuerliche Nebenleistungen: Zinsen, Zuschläge & Zwangsgeld
Steuerliche Nebenleistungen sind rechtlich gesehen keine Strafen, sondern eigenständige Ansprüche, die neben der eigentlichen Steuer entstehen. Sie sind in § 3 Abs. 4 AO definiert und umfassen u. a.: Zinsen, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge und Zwangsgelder.
Rechtsgrundlage
§ 3 Abs. 4 AO (steuerliche Nebenleistungen), § 233a AO (Zinsen), § 235 AO (Hinterziehungszinsen), § 152 AO (Verspätungszuschlag), § 240 AO (Säumniszuschlag), §§ 328, 329 AO (Zwangsmittel, Zwangsgeld).
2.1 Nachzahlung der Umsatzsteuer
Zunächst passt das Finanzamt nach der Prüfung die Umsatzsteuer-Festsetzung an und fordert zu wenig entrichtete Steuer nach. Das ergibt sich aus den allgemeinen Vorschriften zur Steuerfestsetzung und deren Korrektur (§§ 155 ff., 164, 169 ff. AO).
Die Nachzahlung selbst ist formal keine Strafe, sondern die „richtige“ Steuer, die von Anfang an geschuldet war.
2.2 Zinsen auf Steuernachzahlungen (§ 233a AO)
Führt die geänderte Festsetzung zu einer Nachforderung, ist diese grundsätzlich zu verzinsen:
- Die Verzinsung richtet sich nach § 233a AO und beginnt in der Regel 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Umsatzsteuer entstanden ist.
- Seit 2019 gilt für diese Zinsen ein Zinssatz von 0,15 % pro Monat (= 1,8 % pro Jahr) (§ 238 Abs. 1a AO).
Diese Zinsen fallen auch dann an, wenn der Fehler erst im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung auffällt.
2.3 Hinterziehungszinsen (§ 235 AO)
Wenn die Prüfung ergibt, dass Umsatzsteuer vorsätzlich hinterzogen wurde, kommen zusätzlich Hinterziehungszinsen nach § 235 AO hinzu:
Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen; Zinsschuldner ist derjenige, zu dessen Vorteil die Steuern hinterzogen wurden.
Diese Zinsen sind ausdrücklich an eine Steuerhinterziehung im Sinne des § 370 AO geknüpft und gehen damit über die „normale“ Verzinsung nach § 233a AO hinaus.
2.4 Verspätungszuschlag (§ 152 AO)
Werden Umsatzsteuer-Voranmeldungen oder die Umsatzsteuer-Jahreserklärung zu spät abgegeben, kann – und in bestimmten Fällen muss – das Finanzamt einen Verspätungszuschlag festsetzen.
Die AO sieht dafür eine klare Obergrenze vor:
Der Verspätungszuschlag darf höchstens 25.000 Euro betragen.
In der Praxis kann nach einer USt-Sonderprüfung rückblickend festgestellt werden, dass Erklärungen verspätet abgegeben wurden; dann steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im Raum.
2.5 Säumniszuschläge (§ 240 AO)
Werden Umsatzsteuerbeträge nicht bis zum Fälligkeitstag gezahlt, fallen Säumniszuschläge an. § 240 AO regelt:
- Für jeden angefangenen Monat der Säumnis ist ein Säumniszuschlag von 1 % des abgerundeten rückständigen Steuerbetrags zu zahlen.
- Es gibt eine kurze Schonfrist von drei Tagen, danach laufen die Zuschläge.
Auch hier gilt: Säumniszuschläge sind keine Strafe im strafrechtlichen Sinne, aber wirtschaftlich sehr spürbar, vor allem bei hohen Nachforderungen.
2.6 Zwangsgeld bei fehlender Mitwirkung (§§ 328, 329 AO)
Erfüllst du Mitwirkungspflichten nicht – z. B. reichst du angeforderte Unterlagen nicht ein – kann die Finanzverwaltung Zwangsmittel einsetzen. Das wichtigste Mittel in der Praxis ist das Zwangsgeld.
- § 328 AO erlaubt den Einsatz von Zwangsgeld zur Durchsetzung bestimmter Verwaltungsakte.
- § 329 AO legt fest, dass einzelne Zwangsgelder bis zu 25.000 Euro betragen dürfen.
Zwangsgelder sind kein Bußgeld für „Fehlverhalten“, sondern ein Druckmittel, um die Mitwirkung in der Prüfung durchzusetzen.
3. Ordnungswidrigkeiten: Bußgelder bei leichtfertigen Fehlern
Nicht jeder Fehler in der Umsatzsteuer führt sofort zur Steuerhinterziehung. Die AO kennt als Zwischenschritt die leichtfertige Steuerverkürzung und weitere steuergefährdende Ordnungswidrigkeiten.
Rechtsgrundlage
§ 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung), § 379 AO (Steuergefährdung).
3.1 Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)
§ 378 AO erfasst Fälle, in denen ohne Vorsatz, aber mit grober Fahrlässigkeit („Leichtfertigkeit“) Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden.
Die AO sieht hier einen klaren Bußgeldrahmen vor:
Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden.
Typische Fälle im Umsatzsteuerbereich sind stark fehlerhafte Voranmeldungen oder Jahreserklärungen, wenn sie auf grober Verkennung der Sorgfaltspflichten beruhen, ohne dass Vorsatz nachweisbar ist.
3.2 Steuergefährdung (§ 379 AO)
§ 379 AO stellt bestimmte Verhaltensweisen unter Bußgeld, die die Steuererhebung konkret gefährden, z. B.:
- ungenaue oder unrichtige Belege,
- unrichtige Angaben in Rechnungen,
- Verhalten, das die richtige Steuerfestsetzung erschwert.
Je nach Tatbestand sieht die AO hier Geldbußen bis zu 30.000 Euro vor.
Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung prüft die Finanzverwaltung, ob solche Tatbestände erfüllt sind und ob ein Bußgeldverfahren eingeleitet wird.
4. Steuerhinterziehung (§ 370 AO): Wenn es strafrechtlich wird
Wird im Rahmen der Prüfung festgestellt, dass Umsatzsteuer vorsätzlich verkürzt wurde, steht der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum.
Rechtsgrundlage
§ 370 AO (Steuerhinterziehung), § 376 AO (Verjährung in besonders schweren Fällen).
4.1 Grundtatbestand: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe
§ 370 AO regelt die Steuerhinterziehung. Der Grundtatbestand sieht vor:
Steuerhinterziehung wird mit Geldstrafe oder mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.
Die typischen Varianten sind u. a.:
- unrichtige oder unvollständige Angaben gegenüber dem Finanzamt,
- pflichwidriges Unterlassen von Angaben (z. B. keine Abgabe von Erklärungen),
- das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile.
Welche konkrete Strafe verhängt wird, hängt vom Einzelfall ab und wird nicht vom Finanzamt, sondern durch das Strafgericht entschieden. Das Finanzamt (bzw. die Bußgeld- und Strafsachenstelle oder die Steuerfahndung) stößt das Verfahren nur an.
4.2 Besonders schwere Fälle: Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis 10 Jahren
§ 370 Abs. 3 AO nennt besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung. Dazu gehören unter anderem:
- Hinterziehung in großem Ausmaß,
- Missbrauch einer Amtsträger- oder Organstellung,
- bandenmäßiges Handeln.
In diesen Fällen erhöht sich der Strafrahmen deutlich:
Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.
4.3 Verlängerte Verjährung bei schweren Fällen (§ 376 AO)
Für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung sieht § 376 AO eine verlängerte Verfolgungsverjährung von bis zu 15 Jahren vor.
Gerade bei umfangreichen Umsatzsteuer-Sachverhalten (etwa mit hohen Summen über mehrere Jahre) spielt diese verlängerte Verjährungsfrist eine Rolle.
5. Selbstanzeige & Strafzuschlag: Sonderfall hohe Hinterziehungsbeträge
Sobald der Verdacht einer Steuerhinterziehung im Raum steht, kommt häufig die Frage nach einer Selbstanzeige auf. Die Grundsätze dazu regelt § 371 AO.
Rechtsgrundlage
§ 371 AO (Straffreiheit bei Selbstanzeige), § 398a AO (Strafzuschläge bei hohen Hinterziehungsbeträgen).
Vereinfacht gesagt kann eine wirksame Selbstanzeige unter bestimmten Voraussetzungen zur Straffreiheit führen. Allerdings:
- Ist eine Prüfungsanordnung bereits bekanntgegeben oder die Tat entdeckt, kann die Selbstanzeige nach § 371 Abs. 2 AO gesperrt sein.
- Bei hohen Hinterziehungsbeträgen verlangt § 398a AO zusätzlich einen Geldbetrag („Strafzuschlag“), der prozentual an die hinterzogene Steuer anknüpft.
Dieser Strafzuschlag kommt zusätzlich zur nachzuzahlenden Steuer und den Zinsen hinzu. Er ist damit ein wichtiger Kostenfaktor in großen Fällen, in denen eine Selbstanzeige noch möglich ist.
Gerade bei komplexen Umsatzsteuer-Konstellationen solltest du in solchen Situationen unbedingt Steuerberater und Fachanwalt für Steuerstrafrecht einbinden. Eine erste Einordnung findest du auch auf unserer Seite Steuerstrafrecht im E-Commerce.
6. Wer entscheidet was? Finanzamt vs. Strafgericht
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung ist es wichtig zu unterscheiden, welche Folgen das Finanzamt selbst festsetzt und wo das Strafgericht entscheidet.
6.1 Was das Finanzamt festsetzt
Das Finanzamt (bzw. die zuständige Stelle innerhalb der Finanzverwaltung) entscheidet insbesondere über:
- Nachzahlung der Umsatzsteuer,
- Zinsen nach § 233a AO und ggf. Hinterziehungszinsen nach § 235 AO,
- Verspätungszuschläge nach § 152 AO (bis 25.000 Euro),
- Säumniszuschläge nach § 240 AO (1 % pro angefangenem Monat der Säumnis),
- Zwangsgelder nach §§ 328, 329 AO (einzelnes Zwangsgeld bis 25.000 Euro),
- Bußgelder bei Ordnungswidrigkeiten, z. B. nach § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung, bis 50.000 Euro) oder § 379 AO (Steuergefährdung, je nach Tatbestand bis 30.000 Euro).
6.2 Was das Strafgericht entscheidet
Über Steuerstraftaten – insbesondere die Steuerhinterziehung nach § 370 AO – entscheidet das zuständige Strafgericht (regelmäßig über Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung angestoßen).
Hier geht es um:
- Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren,
- in besonders schweren Fällen Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren,
- etwaige strafrechtliche Nebenfolgen (die sich nach dem Strafgesetzbuch richten).
7. Was bedeutet das praktisch nach einer USt-Sonderprüfung?
Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung sieht der typische „Sanktionsmix“ – rein aus Sicht der AO – so aus:
- Umsatzsteuer-Nachzahlung, wenn die ursprüngliche Festsetzung zu niedrig war.
- Zinsen nach § 233a AO (0,15 % pro Monat) ab dem gesetzlich geregelten Zinslauf.
- Bei vorsätzlicher Hinterziehung zusätzlich Hinterziehungszinsen nach § 235 AO.
- Verspätungszuschläge, wenn Erklärungen verspätet abgegeben wurden (Obergrenze 25.000 Euro).
- Säumniszuschläge von 1 % pro Monat auf rückständige Steuerbeträge, wenn Zahlungen nicht pünktlich eingehen.
- Gegebenenfalls Zwangsgelder, wenn du Mitwirkungspflichten nicht erfüllst.
- Bei grob fahrlässigem Verhalten Bußgelder (z. B. bis 50.000 Euro nach § 378 AO).
- Bei vorsätzlicher Steuerhinterziehung die strafrechtliche Ebene mit Geld- oder Freiheitsstrafe.
Wie sich das im konkreten Fall auswirkt, hängt von vielen Details ab: Höhe der Beträge, Zahl der betroffenen Jahre, Mitwirkung im Verfahren und der Frage, ob ein strafbares Verhalten vorliegt oder „nur“ eine Ordnungswidrigkeit.
8. Fazit & Empfehlung
Die Umsatzsteuer-Sonderprüfung selbst ist „nur“ das Prüfungsinstrument. Die eigentliche finanzielle Belastung ergibt sich aus:
- der nachzuzahlenden Umsatzsteuer,
- Zinsen und Zuschlägen als steuerliche Nebenleistungen,
- Bußgeldern bei Ordnungswidrigkeiten und
- Strafen bei Steuerhinterziehung.
Je sauberer deine Buchhaltung organisiert ist und je frühzeitiger du auf Auffälligkeiten reagierst, desto geringer ist das Risiko, dass aus einer Sonderprüfung ein teures oder strafrechtlich relevantes Verfahren wird.
Spätestens wenn sich im Rahmen der Prüfung strafrechtliche Fragen abzeichnen, sollten Steuerberater und Fachanwalt gemeinsam auf den Fall schauen.
Konkrete Fragen zu deiner Umsatzsteuer-Sonderprüfung?
Wenn du Post vom Finanzamt bekommen hast oder bereits eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung angekündigt wurde, ist es wichtig, strukturiert und rechtssicher zu reagieren.