Verlagerung der Buchführung ins Ausland nach § 146 Abs. 2a AO - Was Du als Onlinehändler darüber wissen solltest.

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Verlagerung der Buchführung ins Ausland & Cloud-Systeme (§ 146 Abs. 2a AO): Voraussetzungen, Risiken & Praxistipps

Viele Unternehmen denken darüber nach, ihre Buchführung, Cloud-Systeme oder Shopsysteme in Rechenzentren außerhalb Deutschlands zu betreiben – aus Kostengründen, wegen Fachkräftemangel oder zur Standardisierung der Prozesse. Doch was ist steuerlich erlaubt, wo liegen die Grenzen und welche Fehler können teuer werden – gerade, wenn du Online-Buchhaltung oder Shops wie Shopify nutzt? Die rechtlichen Grundlagen dazu findest du im Abschnitt „Rechtlicher Rahmen: Was regeln § 146 Abs. 2a und 2b AO?“, die Besonderheiten von Cloud- und Shopsystemen im Abschnitt „Cloud-Lösungen, Online-Buchführung und Shopsysteme“.

1. Rechtlicher Rahmen: Was regeln § 146 Abs. 2a und 2b AO?

Ausgangspunkt ist § 146 AO. Grundsatz: Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen sind im Geltungsbereich der AO – also in Deutschland – zu führen und aufzubewahren. Abweichend davon erlauben § 146 Abs. 2a und 2b AO, elektronische Bücher und Aufzeichnungen ins Ausland zu verlagern. Welche konkreten Buchführungsteile davon erfasst sind, wird in Abschnitt 2 „Welche Teile der Buchführung dürfen ins Ausland?“ näher aufgegliedert.

1.1 EU/EWR vs. Drittstaaten

Seit dem Jahressteuergesetz 2020 unterscheidet das Gesetz:

  • § 146 Abs. 2a AO: Verlagerung in einen anderen EU-/EWR-Staat ist ohne Antrag zulässig, wenn der steuerliche Datenzugriff (Außenprüfung, Nachschau) vollständig sichergestellt ist (siehe dazu auch die Anforderungen in Abschnitt 5).
  • § 146 Abs. 2b AO: Für Verlagerungen in einen Drittstaat (also außerhalb EU/EWR) ist weiterhin ein schriftlicher Antrag beim Finanzamt und eine Bewilligung erforderlich, vgl. die Details im Abschnitt 3 zum Antrag.

Inhaltlich knüpfen die Voraussetzungen in Abs. 2b an die „klassische“ Auslandsverlagerung an: Es geht um die Führung und Aufbewahrung elektronischer Bücher und sonstiger erforderlicher elektronischer Aufzeichnungen oder Teilen davon im Ausland.

1.2 Voraussetzungen für Verlagerungen in Drittstaaten

Für Verlagerungen in Drittstaaten (Abs. 2b) gelten im Kern die bekannten Anforderungen:

  • Es liegt ein schriftlicher oder elektronischer Antrag des Steuerpflichtigen beim zuständigen Finanzamt vor (siehe Abschnitt 3).
  • Der Steuerpflichtige teilt den Standort des Datenverarbeitungssystems mit und – bei Beauftragung eines Dritten – dessen Namen und Anschrift.
  • Er ist seinen Pflichten aus den §§ 90, 93, 97, 140–147 und 200 AO ordnungsgemäß nachgekommen (Mitwirkung, Auskunft, Vorlage, Aufbewahrung etc.).
  • Der Datenzugriff nach § 147 Abs. 6 AO (Z1, Z2, Z3) ist in vollem Umfang möglich (praktische Ausgestaltung siehe Cloud-Buchführungssysteme).
  • Die Besteuerung wird durch die Verlagerung nicht beeinträchtigt, d. h. die Finanzverwaltung kann die Besteuerungsgrundlagen so prüfen wie bei inländischer Buchführung.

Wichtig: § 146 Abs. 2a, 2b AO betreffen nur die elektronischen Bücher und Aufzeichnungen. Papierunterlagen bleiben davon unberührt und sind grundsätzlich im Inland aufzubewahren (Details dazu in Abschnitt 9).

2. Welche Teile der Buchführung dürfen ins Ausland?

Erfasst sind „elektronische Bücher und sonstige erforderliche elektronische Aufzeichnungen“. Dazu zählen u. a.:

  • Erfassung und Verarbeitung von Geschäftsvorfällen,
  • Speicherung der Daten auf Datenträgern,
  • Kontenabschluss und vorbereitende Abschlussbuchungen,
  • Inventurhilfen und vorbereitende Abschlussarbeiten.

In der Praxis ist es sinnvoll, die Buchführung in Teilschritte aufzuteilen und für jeden Schritt getrennt zu prüfen, ob und wie eine Verlagerung ins Ausland (EU oder Drittstaat) zulässig ist. Die wesentlichen Stufen (Belegsammlung, Scan, Erfassung, Kontierung, Archivierung) sind in den Abschnitten 2.1 bis 2.5 aufgeschlüsselt.

2.1 Sammeln und Ordnen der Originalbelege

Das Sammeln und Ordnen der Originalbelege hat nach herrschender Meinung im Inland zu erfolgen. Hintergrund ist die Pflicht zur vollständigen und sachlich geordneten Entgegennahme, Ordnung und Weiterleitung der Belege.

  • Originalrechnungen nach § 14 UStG sollen grundsätzlich im Inland verbleiben.
  • Eine direkte Versendung von Originalrechnungen durch Lieferanten an ein ausländisches Shared Service Center oder einen ausländischen Dienstleister gilt als unzulässig.
  • Ins Ausland dürfen nur Kopien der Belege verbracht werden, sofern die übrigen Voraussetzungen eingehalten werden (vgl. auch Abschnitt 9 zu Papierbelegen).

2.2 Scanvorgang und Digitalisierung

Der Scanvorgang ist typischerweise eng mit der Frage verknüpft, wo sich die Originalbelege befinden:

  • Grundsätzlich besteht die Pflicht, Papierbelege im Inland aufzubewahren, solange sie nicht wirksam nach § 147 Abs. 2 AO in elektronische Form überführt wurden.
  • Eine kurzfristige Verbringung von Originalbelegen ins Ausland nur zum Scannen ist vom Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen.
  • Erfolgt das Scannen im Rahmen einer genehmigten Auslandsbuchführung, akzeptiert die Finanzverwaltung, dass die Papierbelege zu diesem Zweck an den Ort der elektronischen Buchführung verbracht und anschließend wieder ins Inland zurückgebracht werden, wenn der Scan zeitnah erfolgt und die Anforderungen der GoBD erfüllt sind (siehe auch Abschnitt 7.1 zur GoBD).

2.3 Erfassung der Belege

Die Erfassung der Belege (Dateneingabe) kann im Ausland erfolgen, wenn bestimmte Qualitätsanforderungen erfüllt sind:

  • Die Erfassung erfolgt durch fach- und sprachkundiges Personal, das deutsche Belege zuverlässig versteht.
  • Die Vollständigkeit und Richtigkeit der Erfassung ist anhand im Inland aufbewahrter Erfassungsprotokolle oder Kontrolllisten überprüfbar.

2.4 Kontierung der Belege

Die Kontierung kann nur unter qualifizierten Voraussetzungen ins Ausland verlagert werden:

  • Die Originalbelege verbleiben im Inland; ins Ausland dürfen nur Kopien.
  • Die Kontierung erfolgt durch Personal, das deutsches Bilanz- und Steuerrecht beherrscht, die deutsche Sprache sicher beherrscht und über ausreichend Branchenkenntnis verfügt.
  • Es finden stichprobenartige Kontrollen durch den Steuerpflichtigen bzw. die deutsche Organisation statt (dies sollte im Rahmen des Tax-Compliance-Systems dokumentiert werden).
  • Werden Kontierungsvermerke handschriftlich im Ausland aufgebracht, sollten die so kontierten Belege zusätzlich elektronisch gespeichert werden; der Antrag bzw. die Dokumentation sollte das ausdrücklich beschreiben.

2.5 Archivierung

Für die Archivierung gelten die allgemeinen Regeln des § 147 AO:

  • Solange Papierbelege nach § 147 Abs. 1 AO aufzubewahren sind, müssen sie grundsätzlich im Inland archiviert werden.
  • Werden Rechnungen nach § 147 Abs. 2 AO rechtssicher auf Bild- oder Datenträgern aufbewahrt, können die Originalbelege vernichtet werden – dann ist eine Verlagerung der elektronischen Archivierung ins Ausland im Rahmen von § 146 Abs. 2a (EU/EWR) oder 2b (Drittstaat, mit Bewilligung) möglich (siehe dazu auch Abschnitt 9).

3. Der Antrag auf Verlagerung: Inhalt und Zuständigkeit

Ein förmlicher Antrag ist nur noch erforderlich, wenn elektronische Bücher und Aufzeichnungen in einem Drittstaat geführt oder aufbewahrt werden sollen (§ 146 Abs. 2b AO). Für Verlagerungen innerhalb der EU/EWR ist kein Antrag mehr nötig, der Steuerpflichtige muss aber den vollständigen Datenzugriff sicherstellen (siehe auch Abschnitt 1.1).

Zuständig für den Antrag nach Abs. 2b ist der Veranlagungsbezirk des örtlich zuständigen Festsetzungsfinanzamts. Im Antrag sollte das Vorhaben so beschrieben sein, dass das Finanzamt alle gesetzlichen Voraussetzungen umfassend prüfen kann.

Typische Bestandteile des Antrags (Drittstaatenfälle) sind:

  • Projektbeschreibung: Einordnung der Verlagerung in das Gesamtprojekt (z. B. Konzern-Shared-Service, Outsourcing, Cloud-Migration; oft in Kombination mit den Systemen aus Abschnitt 7).
  • Beschreibung des Prozesses: Wie gelangen die Belege ins Ausland? Beispiele:
    • Scannen der Originalbelege im Inland und elektronische Übermittlung, oder
    • Versand von Kopien der Originalbelege und Digitalisierung im Ausland.
  • Angabe des Serverstandorts (Datenverarbeitungssystem) sowie Name und Anschrift des beauftragten Dritten.
  • Darlegung der steuerlichen Zuverlässigkeit (bisheriges Erfüllungsverhalten bei Mitwirkungs-, Auskunfts- und Aufbewahrungspflichten).
  • Begründung, warum die Besteuerung nicht beeinträchtigt wird – etwa durch stabile Datenzugänge, genaue Prozessbeschreibungen und ein funktionierendes internes Kontrollsystem (vgl. Abschnitt 5).
  • Beschreibung der Datenzugriffsmöglichkeiten nach § 147 Abs. 6 AO (Z1, Z2, Z3).

Wird nur ein Teil der Buchführung verlagert, sollten Art und Umfang der Teilauslagerung genau beschrieben werden:

  • Welche Bücher und Aufzeichnungen verbleiben im Inland?
  • Welche Bearbeitungs- und Verarbeitungsschritte (Erfassung, Kontierung, Datenverarbeitung, Archivierung) werden zukünftig im Ausland vorgenommen (vgl. Aufteilung in Abschnitt 2)?

4. Die Bewilligung des Finanzamts und ihre Rechtsfolgen

Die Zustimmung des Finanzamts zur Verlagerung in einen Drittstaat ist ein Verwaltungsakt, der im Ermessen der Behörde steht. Liegen sämtliche gesetzlichen Voraussetzungen vor, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, die sich im Regelfall zu einem Anspruch auf Bewilligung verdichtet.

Wichtige Eckpunkte:

  • Die Bewilligung kann mit Nebenbestimmungen und Befristungen nach § 120 AO versehen werden (z. B. Probephase, Berichtspflichten; diese Anforderungen sollten im Monitoring abgebildet werden).
  • Sie muss klar erkennen lassen, welche Teile und Funktionen der elektronischen Buchführung ins Ausland verlagert werden dürfen (vgl. Abschnitt 2).
  • Unzulässig ist es, den Steuerpflichtigen zu verpflichten, im Inland einen Spiegelserver mit sämtlichen verlagerten Daten zu betreiben – das würde den Sinn der Verlagerung konterkarieren.
  • Die Bewilligung gilt nur für den steuerlichen Bereich; für Zollzwecke ist ggf. eine separate Bewilligung erforderlich.

5. Pflichten nach der Verlagerung und laufendes Monitoring

Unabhängig davon, ob du in einen EU-Staat (ohne Antrag) oder in einen Drittstaat (mit Bewilligung) verlagerst: Du musst allen Mitwirkungs-, Auskunfts-, Ordnungs- und Vorlagepflichten weiter nachkommen. Dazu gehört insbesondere:

  • die Sicherstellung des laufenden Datenzugriffs für die Finanzverwaltung,
  • die Einhaltung der Aufbewahrungsfristen und der GoBD (siehe auch Cloud-Buchführungssysteme),
  • ein Compliance-orientiertes Monitoring aller Umstände, die sich auf die Verlagerung auswirken können (Serverstandorte, Dienstleisterwechsel, Änderungen von Namen/Adressen; siehe auch Mitteilungspflichten).

Praktisch bedeutet das: Die Verlagerung gehört in das Tax-Compliance-System des Unternehmens, inklusive klarer Verantwortlichkeiten, Dokumentation und regelmäßiger Überprüfung. Konkrete To-dos findest du in der Praxis-Checkliste in Abschnitt 11.

6. Widerruf, Rückverlagerung und Verzögerungsgeld

Die Finanzverwaltung kann Bewilligungen für Drittstaaten widerrufen oder bei EU-Verlagerungen die Rückverlagerung verlangen, wenn Umstände bekannt werden, die zu einer Beeinträchtigung der Besteuerung führen. Beispiele:

  • Verletzung von Mitteilungspflichten zu Serverstandorten oder Dienstleisterdaten (siehe Abschnitt 10),
  • fehlender oder eingeschränkter Datenzugriff,
  • nicht fristgerechte Erfüllung von Mitwirkungs- und Vorlagepflichten.

Vor dem Widerruf ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten – etwa durch vorherige Aufforderungen und Fristsetzungen. Wird die Verlagerung widerrufen, sind:

  • die verlagerten elektronischen Bücher und Aufzeichnungen unverzüglich ins Inland zurückzuverlagern,
  • die Rückverlagerung innerhalb einer bestimmten Frist nachzuweisen.

Kommt der Steuerpflichtige dieser Aufforderung nicht nach, kann ein Verzögerungsgeld in Höhe von 2.500 € bis 250.000 € festgesetzt werden. Dieses Verzögerungsgeld entfällt nicht automatisch dadurch, dass die geforderten Informationen später nachgereicht werden – insbesondere nicht bei verspätet nachgeholten Anträgen in Altfällen (vgl. Abschnitt 8).

7. Cloud-Lösungen, Online-Buchführung und Shopsysteme

In der Praxis geht es selten um „eigene Server im Ausland“, sondern um Cloud- und SaaS-Lösungen – von der Online-Buchhaltung bis zum Shopsystem (z. B. Shopify, Shopware, WooCommerce) und Payment-Providern. Diese Systeme sind steuerlich nicht „unsichtbar“, sondern Teil des Datenverarbeitungssystems im Sinne der GoBD. Wie sie konkret in dein Verlagerungskonzept eingebettet werden, wirkt direkt auf Antrag, Bewilligung und Monitoring aus den Abschnitten 3 bis 5.

7.1 GoBD und Cloud-Buchführungssysteme

Die GoBD stellen klar: Es kommt nicht darauf an, ob ein DV-System on premise oder als Cloud-Service betrieben wird. Entscheidend ist, dass alle steuerlich relevanten Daten vollständig, richtig, zeitgerecht, unveränderbar und maschinell auswertbar sind – und dass der Betriebsprüfer darauf zugreifen kann.

Typische Online-Buchführungssysteme (z. B. klassische Cloud-Buchhaltungen, ERP-Systeme aus der Cloud) müssen deshalb:

  • GoBD-konforme Belegablage und Buchungsdaten bereitstellen,
  • exportfähige Daten für die digitale Betriebsprüfung (z. B. IDEA- oder strukturierte CSV-Exporte) liefern,
  • Verfahrensdokumentationen und Systembeschreibungen unterstützen (z. B. Schnittstellenbeschreibungen, Rollen- und Rechtekonzepte; diese gehören in die Checkliste).

Für die Frage, ob § 146 Abs. 2a oder 2b AO betroffen ist, kommt es maßgeblich darauf an, wo die steuerrelevanten Daten tatsächlich geführt und aufbewahrt werden:

  • Cloud-Buchführung in einem EU-/EWR-Rechenzentrum: kein Antrag, aber Sicherstellung des Datenzugriffs nach GoBD und § 147 Abs. 6 AO.
  • Cloud-Buchführung mit Speicherung in einem Drittstaat: hier kommst du schnell in den Anwendungsbereich des § 146 Abs. 2b AO (Antrag und Bewilligung), wenn dort elektronische Bücher oder sonstige erforderliche Aufzeichnungen geführt oder aufbewahrt werden.

7.2 Shopsysteme, Marktplätze und Payment als Vorsysteme

Online-Shops, Marktplätze und Zahlungsdienstleister sind in der Logik der GoBD Vor- und Nebensysteme deines Buchführungssystems. Sie erzeugen und speichern steuerlich relevante Daten:

  • Bestellungen, Rechnungsdaten, Lieferadressen,
  • Zahlungsflüsse, Gebühren, Rückerstattungen,
  • Stornos, Gutschriften, Gutscheinbewegungen.

Die GoBD behandeln Hauptsysteme (Fibu) und Vor-/Nebensysteme gleich: Alle Systeme, in denen steuerlich relevante Daten entstehen oder verändert werden, sind prüfungsrelevant. Das gilt ausdrücklich auch für:

  • Shopsysteme und Warenwirtschaftssysteme,
  • Kassensysteme und POS-Lösungen,
  • Zahlungsverkehrs- und Fakturasysteme.

Konsequent heißt das:

  • Der Betriebsprüfer muss im Zweifel auch Daten aus Shopify & Co. auswerten können (z. B. Bestell- und Zahlungsverläufe, Stornos, Reports).
  • Die Schnittstelle zwischen Shop, Payment, ERP und Fibu muss in der Verfahrensdokumentation nachvollziehbar beschrieben sein (siehe Checkliste).
  • Für Kassensysteme und stationäre POS-Lösungen kommen zusätzlich die Anforderungen der KassenSichV, TSE und ggf. DSFinV-K hinzu – auch hier bieten Cloud-Anbieter Exportfunktionen für die Finanzverwaltung.

7.3 Typischer E-Commerce-Case: Shopify & Online-Buchhaltung

Ein realistisches Setup im E-Commerce sieht z. B. so aus:

  • Shop-System (z. B. Shopify) in der Cloud,
  • Zahlungsanbieter (z. B. PayPal, Kreditkarten-Provider),
  • Cloud-basierte Fibu/ERP mit Schnittstelle zu DATEV oder direkt zur Kanzlei.

Steuerlich relevant sind dabei mehrere Ebenen:

  • Im Shop entstehen Einzelumsätze mit allen erforderlichen Daten (Zeitpunkt, Kunde, Artikel, Steuersatz, Land).
  • Payment-Provider liefern Zahlungsbelege und Gebührenstrukturen.
  • Die Online-Buchhaltung übernimmt aus diesen Systemen Daten und erstellt Buchungssätze, OP-Listen und Auswertungen.

Für die Frage der Auslandsverlagerung kommt es darauf an:

  • Wo liegen die Datenzentren des Fibu-/ERP-Systems, in dem die eigentliche Buchführung läuft?
  • Werden steuerlich relevante Daten der Vor- und Nebensysteme (Shop, Payment) dauerhaft in Drittstaaten gespeichert oder nur kurzzeitig durchgeleitet?
  • Kannst du der Finanzverwaltung den vollständigen Datenzugriff auf alle Systeme im Prüfungsfall praktisch ermöglichen (Exporte, Benutzerzugänge, Datenträgerüberlassung)?

In vielen Fällen sind moderne Shopsysteme und Buchführungs-Clouds so konzipiert, dass Kern- und Bestelldaten zumindest „at rest“ in der EU gespeichert werden – gleichwohl arbeiten die Anbieter oft mit global verteilter Infrastruktur und internationalen Datenübermittlungen. Für die GoBD und § 146 AO zählt am Ende:

  • Wo werden elektronische Bücher und steuerlich relevante Aufzeichnungen geführt und aufbewahrt (vgl. Abschnitt 2)?
  • Ist der Datenzugriff der Finanzverwaltung praktisch und rechtlich abgesichert (siehe Abschnitt 5)?

7.4 Wann löst ein Shop- oder Cloud-System § 146 Abs. 2a/2b AO aus?

Einige praxisnahe Faustlinien:

  • Nur EU-/EWR-Hosting (z. B. Buchhaltungs-Cloud mit Rechenzentrum in der EU, Shopsystem mit EU-Datenregion): kein Antrag, aber volle GoBD- und Datenzugriffs-Pflichten. Du musst trotzdem dokumentieren, wie die Datenflüsse aussehen und wie der Prüfer die Daten erhält (siehe Checkliste).
  • Drittstaaten-Hosting der Buchführung (z. B. Fibu- oder ERP-System mit Servern in einem Drittstaat): hier greift regelmäßig § 146 Abs. 2b AO – es ist ein Antrag mit Bewilligung notwendig, wenn dort elektronische Bücher/steuerlich erforderliche Aufzeichnungen geführt und aufbewahrt werden.
  • Shopsystem/Payment im Drittstaat, Fibu in der EU: steuerlich relevante Daten entstehen im Shop/Payment (Vor- und Nebensysteme) und werden weiterverarbeitet. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob diese Systeme bereits als „Führen und Aufbewahren“ von Aufzeichnungen im Sinne des § 146 AO gelten. In der Praxis sind sie zumindest steuerlich relevant und müssen in der Verfahrensdokumentation abgebildet werden (siehe Abschnitt 7.2).

Für die Praxis heißt das: Je stärker du dich auf internationale Cloud-Systeme verlässt (insbesondere außerhalb der EU/EWR), desto wichtiger ist eine saubere Kombination aus:

  • steuerlicher Bewertung der Serverstandorte und Datenflüsse,
  • GoBD-konformem Systemdesign (Exporte, Datenzugriff, Unveränderbarkeit),
  • und – bei Drittstaaten – einem formal korrekten Antrag nach § 146 Abs. 2b AO, sofern die Voraussetzungen erfüllt sind (siehe Abschnitt 3).

8. Altfälle: Verlagerung vor Einführung des § 146 Abs. 2a AO

Problematisch sind Konstellationen, in denen Unternehmen bereits vor Einführung des § 146 Abs. 2a AO (25.12.2008) ihre elektronische Buchführung ins Ausland oder in die Cloud verlagert haben, ohne einen formellen Antrag zu stellen.

Hier gilt:

  • Sind die materiellen Voraussetzungen der heutigen §§ 146 Abs. 2a, 2b AO erfüllt, wäre eine Rückverlagerung allein wegen des fehlenden Antrags oft unverhältnismäßig.
  • Die Finanzverwaltung kann den Steuerpflichtigen spätestens im Rahmen einer Betriebsprüfung auffordern, einen ordnungsgemäßen Antrag (heute nach Abs. 2b für Drittstaaten) nachzuholen (siehe auch die Hinweispflichten in Abschnitt 10).

Wichtig: Die Möglichkeit eines Verzögerungsgeldes besteht auch dann, wenn angeforderte Informationen oder Anträge erst verspätet nachgereicht werden. Altfälle sollten daher zeitnah aufgesetzt und in ein sauber dokumentiertes, ggf. bewilligtes Verlagerungskonzept überführt werden – idealerweise anhand der Punkte aus der Praxis-Checkliste.

9. Papierbelege und nicht elektronische Unterlagen

§ 146 AO ändert nichts daran, dass bestimmte Unterlagen in Papierform im Inland vorhanden sein müssen. Dazu gehören u. a.:

  • Jahresabschlüsse, Lageberichte und Eröffnungsbilanz (in Schriftform),
  • Originalrechnungen in Papierform, solange sie nicht wirksam digitalisiert wurden und die Voraussetzungen des § 147 Abs. 2 AO erfüllt sind.

Werden Rechnungen ordnungsgemäß auf Bild- oder Datenträgern aufbewahrt, dürfen die Originale vernichtet werden. In diesen Fällen steht § 146 AO einer Verlagerung der so entstehenden elektronischen Archivierung ins Ausland (EU ohne Antrag, Drittstaat mit Bewilligung) nicht entgegen (vgl. auch Abschnitt 2.5 Archivierung).

10. Mitteilungspflichten bei Änderungen und Rückverlagerung

Nach § 146 AO muss der Steuerpflichtige bestimmte Änderungen unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) mitteilen, insbesondere:

  • veränderte Serverstandorte im Ausland (insbesondere in Drittstaaten),
  • Wechsel des Dienstleisters (Name, Anschrift),
  • Änderung des Namens oder der Anschrift eines bestehenden Dienstleisters im Ausland.

Verlagerst du freiwillig wieder vollständig ins Inland, ist das gesetzlich nicht ausdrücklich als mitteilungspflichtig geregelt. In der Praxis empfiehlt sich aber eine klare, schriftliche Kommunikation mit dem Finanzamt, um spätere Diskussionen in der Betriebsprüfung zu vermeiden – insbesondere, wenn bereits eine Bewilligung nach Abschnitt 4 erteilt wurde.

11. Praxis-Checkliste für Unternehmen

Wenn du die Buchführung, Cloud-Systeme oder Shops ins Ausland oder in die Cloud verlagern möchtest, solltest du mindestens folgende Punkte abhaken:

  • Projekt klar definieren: Welche Teile der Buchführung und welche Systeme (Fibu, ERP, Shop, Payment) sollen wohin verlagert werden (vgl. Abschnitt 2 und Abschnitt 7)?
  • Beleg- und Datenfluss dokumentieren: Wie entstehen Belege und Daten, wie werden sie gesammelt, verarbeitet, übermittelt und archiviert? Wo verbleiben die Originale (siehe Abschnitt 2.1 und Abschnitt 9)?
  • Serverstandorte und Dienstleister mit Name, Anschrift und vertraglich geregeltem Datenzugriff festhalten.
  • Datenzugriff der Finanzverwaltung (Z1, Z2, Z3) technisch und organisatorisch sicherstellen – inklusive Vor- und Nebensystemen (siehe Shopsysteme & Payment).
  • Qualifikation des ausländischen Personals (Sprache, deutsches Bilanz- und Steuerrecht, Branchenkenntnis) dokumentieren, wenn im Ausland kontiert oder verbucht wird (vgl. Abschnitt 2.4).
  • Interne Kontrollen (Stichproben, Vier-Augen-Prinzip, Protokolle) konzipieren und beschreiben – zentraler Baustein des Tax-Compliance-Systems.
  • Bei Drittstaaten: prüfen, ob ein Antrag nach § 146 Abs. 2b AO erforderlich ist, und diesen ausführlich und transparent formulieren (siehe Abschnitt 3).
  • Monitoring-Prozess etablieren, um Änderungen an Serverstandorten, Dienstleistern und Systemarchitektur rechtzeitig zu erkennen und zu melden (vgl. Mitteilungspflichten).

12. Fazit: Verlagerung nur mit sauberem Konzept

Die Verlagerung der elektronischen Buchführung ins Ausland ist kein Tabu, sondern vom Gesetz ausdrücklich vorgesehen – allerdings unter klaren Bedingungen. Mit Cloud-Buchführung, Online-Shops und Payment-Providern bewegen sich Unternehmen schnell in einer komplexen Gemengelage aus GoBD, § 146 AO und Datenschutz.

Wer ohne Konzept, ohne dokumentierten Beleg- und Datenfluss und ohne durchdachtes Steuer-Compliance-System internationale Cloud-Systeme nutzt, riskiert im Zweifel Widerruf, Rückverlagerung und empfindliche Verzögerungsgelder (siehe Abschnitt 6). Mit einer sauberen Prozessbeschreibung, fundierter Bewertung der Serverstandorte (EU vs. Drittstaat), einer tragfähigen Verfahrensdokumentation und – falls nötig – einem korrekten Antrag nach § 146 Abs. 2b AO lässt sich die Verlagerung dagegen rechtssicher gestalten – und kann dann die gewünschten Effizienz- und Standardisierungsvorteile bringen. Die wichtigsten Umsetzungsschritte findest du komprimiert in der Checkliste in Abschnitt 11.